taxonomie Wie gut funktioniert die Offenlegungsverordnung?

Seit 2021 müssen Finanzmarktteilnehmer darlegen, wie nachhaltig ihr Produktportfolio aufgestellt ist. Jetzt will die EU prüfen, ob sich ihre Offenlegungsverordnung in der Praxis bewährt hat – und gegebenenfalls ändern. Das könnte auch für die Immobilienbranche Auswirkungen haben. Von Claus Hornung

Seit 2021 müssen Finanzmarkt-teilnehmer darlegen, wie nachhaltig ihr Produktportfolio aufgestellt ist. Jetzt will die EU prüfen, ob sich ihre Offenlegungsverordnung in der Praxis bewährt hat – und gegebenenfalls ändern. Das könnte auch für die Immobilienbranche Auswirkungen haben.

Die Idee war gut: Nachhaltigkeit lässt sich nur umsetzen, wenn Geld in nachhaltige Projekte und Aktivitäten fließt – das ist der Gedanke hinter der EU-Offenlegungsverordnung, die im März 2021 in Kraft trat. Seitdem können Unternehmen der Finanzbranche nach Artikel 8 oder Artikel 9 offenlegen, wie nachhaltig ihre Investitionen sind – und damit ihre Portfolios.

Aber funktioniert die Idee auch in der Praxis? Gut drei Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung soll das nun eine von der EU einberufene Kommission bewerten. Darin beraten Praktiker aus der Finanzbranche, ob die bisherigen Regelungen beibehalten, verändert oder abgeschafft werden sollten.

Jan von Mallinckrodt, Head of Sustainability im Immobilienbereich von Union Investment sieht das Vorgehen als Chance: „Wir können versuchen, bei immobilienspezifischen Themen die Anforderungen glattzuziehen und mehr Fokus auf die Transformation von Gebäuden zu legen. Das wird für mehr Klarheit bei Anlegern und Unternehmen sorgen und der Immobilienbranche Möglichkeiten zur dringend notwendigen Dekarbonisierung eröffnen.“

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„Wir können versuchen, bei immobilienspezifischen Themen die Anforderungen glattzuziehen und mehr Fokus auf die Transformation von Gebäuden zu legen." Jan von Mallinckrodt Head of Sustainability, Union Investment Real Estate
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Der Ist-Zustand: Komplexe Regulierungen

Ein Blick auf den Ist-Zustand zeigt, wo es Nachholbedarf gibt. Zum einen bei der Differenzierung zwischen Artikel 8 und Artikel 9. In Diskussionen und Berichterstattung werde oft der Artikel 8 als „hellgrün“ bezeichnet – und der Artikel 9 als der anspruchsvollere „dunkelgrüne“ Artikel. Das aber gehe am Kern vorbei, sagt Jan von Mallinckrodt. „Bei Artikel 8 dokumentieren Unternehmen, wie sie mit ESG-Themen umgehen – also das, was sie tun. Bei Artikel 9 geht es darum, welche Ziele sich Unternehmen gesetzt haben, beispielsweise die Reduktion von CO2. In beiden Fällen ist die Offenlegung aber kein Nachweis dafür, dass das komplette Produkt bereits nachhaltig ist. Sie gibt lediglich vor, an welche Regeln ich mich bei Reporting und beim Bewerben meines Produkts halten muss.“

Ein komplexes System. Das führt bei Investoren zu Verunsicherung, sagt Jan von Mallinckrodt: „Wie soll ein Anleger beurteilen, was die Klassifizierung letztlich aussagt?“

Hinzu kommt, dass sich Kriterien der EU-Taxonomie unterscheiden - je nachdem, welches Umweltziel erreicht werden soll. Diese Umweltziele werden in Annex 1 und 2 geregelt. Annex 1 verpflichtet Unternehmen dazu Maßnahmen zu ergreifen, die den Klimawandel verhindern. Annex 2 hingegen verpflichtet lediglich zu Maßnahmen, die die Folgen des Klimawandels auffangen – beispielsweise im Bereich Hochwasserschutz. Darum sind die ermittelten Taxonomiequoten nicht vergleichbar und sorgen nur bedingt für die angestrebte Transparenz.

Ein weiterer Nachteil: alle Regulierungen der Offenlegungsverordnung belohnen Fondsanbieter für Nachhaltigkeit, die bereits vorhanden ist, nicht aber für das Bemühen, Nachhaltigkeit zu schaffen. Dies spiegelt auch die EU-Taxonomie wider – Fondsanbieter können demnach nur Kapitel 7.1 „Neubau“ und 7.7 „Erwerb und Eigentum an Gebäuden“ anwenden. Das Kapitel 7.2 „Renovierung bestehender Gebäude“ hingegen ist der Bauwirtschaft vorbehalten und kann von Fondsanbietern nicht verwendet werden.

Gerade für die Immobilienbranche führe das zu schiefen Ergebnissen, sagt Jan von Mallinckrodt: „Letztlich können wir die angestrebten Ziele nur mit Neubauten erreichen, indem wir geforderten Kriterien voraussetzen und den Projektenwickler entsprechend steuern“. Das aber bedeute: Versiegelung von Flächen, Verbrauch von Ressourcen und Ausstoß von Emissionen. „Aber das ist eben nicht dunkelgrün“, so der Nachhaltigkeitsexperte. „Die Transformation eines bestehenden Gebäudes in ein effizientes Gebäude ist viel nachhaltiger. Aber für diese Transformation braucht man nicht nur Zeit, sondern eben auch Investitionen, die sich gegenüber dem Anleger rechnen müssen. Eine schrittweise Annäherung über das Renovierung-Kapitel 7.2 wäre zielführender und auch umsetzbar.“

Regeln präzisieren oder neue Kategorien einführen?

Was also sollte geschehen? Sollten die Experten-Konsultationen dazu genutzt werden, die Offenlegungsverordnung komplett neu zu formulieren? Eine Idee der EU-Kommission ist es, neue Produktkategorien einzuführen, die Artikel 8 und 9 ersetzen würden

Kategorie A soll demnach Unternehmen belohnen, die umweltfreundliche Technologien fördern oder entwickeln. Kategorie B soll die Nachhaltigkeit von Unternehmen im Vergleich zu einer vorgegebenen Benchmark bewerten. Kategorie C würde Unternehmen belohnen, die bestimmte Arten von Investitionen ausschließen. Kategorie D schließlich würde Transformationen positiv bewerten.

Die französische Finanzaufsichtsbehörde AMF hat zu dieser Idee ein Positionspapier veröffentlicht, das vier Produktkategorien vorsieht: „Environmental solutions“, „Social solutions“, „Climate transition“ sowie „Non-financial filters“. Die Kategorisierung sollen anhand objektiv erfassbarer Mindestanforderungen erfolgen, die keinen Spielraum für Interpretation zulassen. Auch diese Kategorien und die Kriterien sind nicht auf Immobilien ausgerichtet, und müssten dahingehend geprüft und angepasst werden.

Der Sustainable Finance Beirat der Bundesregierung wiederum möchte Produkte in ESG-Klassen von A bis E einteilen, wobei A für einen hohen Anteil nachhaltiger Investitionen steht und E für ein Produkt ohne ESG-Eigenschaften. Diese Skala soll helfen, die ESG-Ausprägung von Finanzprodukten zu beurteilen – und so insbesondere die komplexe Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen bei Anlegern erleichtern, die die EU-Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) vorsieht.

Die Immobilienbranche könnte aus dem Blick geraten

Von Mallinckrodt betrachtet diese Kategorien mit Blick auf die Immobilienbranche skeptisch: „Uns treibt die Sorge um, dass die Anforderungen der Kategorien nicht richtig zur Immobilienbranche passen, aber dafür ein nun schon drei Jahre lang gelebtes System grundlegend geändert wird.“ Schon bei der Einführung der Offenlegungsverordnung waren große Anstrengungen nötig, um Immobilien angemessen zu berücksichtigen.

Wichtige Punkte sind für ihn dabei vor allem:

→ Transformation muss belohnt werden, denn die Umwandlung von  Bestandsgebäuden in nachhaltige Gebäude ist in jeder Hinsicht deutlich klimafreundlicher als ein Neubau.

→ Nur noch ein Annex statt zweier Annexe. Denn Finanzmarktteilnehmer sollten zwei Dinge gleichzeitig tun: zum einen alles daran setzen, den Klimawandel zu stoppen, zum anderen Vorkehrungen treffen, um Vermögensgegenstände vor dessen Auswirkungen zu schützen.

→ Bei der Bewertung müssen immer Umweltaspekte im Fokus stehen. Denn auch wenn die sozialen Aspekte, für die das „S“ in „ESG“ steht, wichtig sind und mit einbezogen werden sollten, tragen sie für sich allein nicht zur Verringerung des CO2 Ausstoßes von Immobilien bei.

→ Klar formulierte und immobilienspezifische Regelungen, die Mindestanforderungen vorsehen.

Von Mallinckrodt ist zuversichtlich: „Ich glaube, die EU hat erkannt, dass es nicht darum geht, viel Neues in die Verordnung hineinzuschreiben, sondern darum, dass man das Bestehende anwenden kann und bei Bedarf nachsteuert.“

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„Mit dem bestehenden System haben wir die richtigen Leitplanken geschaffen, nun gilt es die Unschärfen aufzulösen.“ Jan von Mallinckrodt Head of Sustainability, Union Investment Real Estate
Bilder: shutterstock, Getty Images